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Pensionspferdehaltung des Landwirts Markus Wöhl rechtmäßig – Hoffnung auf baldigen Abschluss einer schier „unendlichen Geschichte“ geht nicht in Erfüllung, denn der Kreis beantragt Berufung

08. Februar 2016 - Öffentl. Baurecht

Im Urteil vom 06.01.2016 (Az. 2 K 327/13.DA) hat das VG Darmstadt die materielle Rechtmäßigkeit der von dem Heusenstammer Landwirt Markus Wöhl betriebenen Pensionspferdehaltung bestätigt. Vertreten durch die Kanzlei Eiding Rechtsanwälte (Hanau) hatte der Landwirt sich gegen vom Kreis Offenbach erlassene bauaufsichtliche Verfügungen gewandt, mit dem ihm der Abbruch aller vorhandenen baulichen Einrichtungen und eine Nutzungsuntersagung aufgegeben worden war.

Mit der Entscheidung des VG Darmstadt bestand zunächst die Hoffnung, das jahrelange Tauziehen um die in den 80er Jahren vom Voreigentümer ohne Baugenehmigung errichteten Anlagen zu beenden und damit auch dem Heusenstammer Reit- und Fahrverein, der das Gelände nutzt, dauerhaft eine Bleibe zu sichern. Dies ist nun aber in Frage gestellt, weil der Kreis den Anwälten des Klägers am 03.02.2016 mitgeteilt hat, inzwischen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel gestellt zu haben. Worum geht es?

Die Baulichkeiten im Außenbereich waren vormals ohne die erforderlichen Baugenehmigungen zur Nutzung im Rahmen einer Hobby-Tierhaltung von einem Voreigentümer errichtet worden. Die Anlagen waren sowohl der Stadt Heusenstamm als auch der Bauaufsicht des Kreises Offenbach ein Dorn im Auge und Gegenstand langjähriger verwaltungsgerichtlicher Auseinandersetzungen.

Eine Wendung hat der Fall genommen, seit der Landwirt Markus Wöhl vor einigen Jahren das Gelände übernommen und dort Zug um Zug für ordentliche Verhältnisse gesorgt hat. Gleichwohl war das seitherige Fehlen der Baugenehmigungen und die Möglichkeit zur Legalisierung Zankapfel zwischen Behörden und Grundstückseigentümer.

Ein Bauantrag zur Legalisierung des Baubestandes und der Nutzung ist beim Kreis Offenbach seit längerem anhängig. Mit Rücksicht auf das laufende VG-Verfahren war über diesen Antrag bisher im Einvernehmen zwischen dem Landwirt und dem Kreis Offenbach nicht entschieden worden.

In dem ausführlich begründeten, 19-seitigen Urteil ist das VG zu dem Ergebnis gelangt, dem Vorhaben könnten weder bauplanungs-, raumordnungs-, forst- oder naturschutzrechtliche Belange entgegengehalten werden. Mit Ausnahme des sog. „Vereinsheimes“ seien die vorhandenen Anlagen nur formell illegal, materiell dagegen rechtmäßig. Es liege kein Verstoß gegen die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vor. Anders als nach Auffassung des Kreises Offenbach sei das Vorhaben nicht an den Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB zu messen, sondern an der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB für privilegierte Vorhaben. Dem sog. „Vereinsheim“ hat das VG allerdings „gaststättenartigen Charakter“ unterstellt, weshalb eine solche Nutzung nicht unter die Privilegierungsvorschrift falle. Soweit es allerdings lediglich darum gehe, den Vereinsmitgliedern und Reitschülern eine Möglichkeit zum Unterstellen persönlicher Gegenstände und einen kurzzeitigen Aufenthalt zu geben, sei dies noch von der privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung mitumfasst.

Zu dem Urteil erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Lutz Eiding:

„Das VG hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Pensionspferdehaltung durch den Landwirt Markus Wöhl eine privilegierte landwirtschaftliche Nutzung darstellt und daher bauplanungsrechtlich anders zu beurteilen ist, als die Nutzung durch den Voreigentümer, einen Nicht-Landwirt.

Das Urteil des VG gibt zugleich wichtige Hinweise, wie mit dem anhängigen Bauantrag zur nachträglichen Legalisierung der Nutzung und baulichen Einrichtungen umzugehen ist. Ausgehend von der Rechtsauffassung des VG ist das Vorhaben überwiegend bereits jetzt genehmigungsfähig. Soweit es um die vom VG beanstandete Nutzung als „Vereinsheim“ geht, kann über eine klarstellende Modifizierung der Bauvorlagen die Genehmigungsfähigkeit sichergestellt werden. Niemand wollte oder will dort eine „gaststättenähnliche Nutzung“ ausüben. Der als „Vereinsheim“ bezeichnete Raum wurde schon bisher im Wesentlichen dazu genutzt, dass die Mitglieder des Reit- und Fahrvereins dort mitgebrachte Sachen (z. B. Rucksäcke, Jacken) während der Dauer des Aufenthalts ablegen und sich ggf. umziehen können. Da der Kreis jetzt leider versucht, das für ihn ungünstige Urteil durch den VGH Kassel aufheben zu lassen, wird eine Legalisierung der ganzen Anlage weiter auf sich warten lassen.“

Zentraler Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren war die Frage, ob forst-/waldrechtliche Aspekte der Pensionstierhaltung entgegengehalten werden können. Bauaufsichts- und Forstbehörden hatten sich insoweit darauf berufen, die entsprechenden Flächen seien als „Wald“ im Sinne des Hessischen Waldgesetzes aufzufassen, mit der Folge dort keine Pensionstierhaltung ausüben zu können. Dem ist das VG entgegengetreten und dabei der von der Kanzlei Eiding und ihrem zugezogenen Sachverständigen vertretenen Rechtsauffassung gefolgt, die in Bezug auf die „Waldeigenschaft“ ein Sachverständigengutachten hat einholen lassen. Das VG hat die Nutzung und Kombination aus Baumbestand und Tierhaltung als sog. „agroforstliche Nutzung“ aufgefasst, die nicht dem Waldbegriff des Hessischen Waldgesetzes unterfiele. Ohne Bedeutung sei, dass die Behörden vormals von der Waldeigenschaft ausgegangen seien, weil aus solchen Feststellungen keine Rechtswirkungen erwachsen, sondern nur aus dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen selbst. Die behördlicherseits behaupteten Rodungsarbeiten waren aus den Akten der Forstbehörden und den von der Kanzlei Eiding vorgelegten Luftbildaufnahmen aus den Jahren 1978 - 2011 nicht nachvollziehbar. Hierzu Prof. Dr. Eiding:

„Nach meinem Eindruck steckt hinter der Rechtsmitteleinlegung in erster Linie die Untere Naturschutzbehörde des Kreises, die sich mit der Forstbehörde zum Ziel gesetzt hat, die Reitanlage unter allen Umständen von ihrem Standort zu verbannen, anstatt daran mitzuwirken diese zu legalisieren und auf ein für alle Beteiligten gesichertes Fundament zu stellen. Dieses sture Beharren auf selbst das Verwaltungsgericht nicht überzeugenden fachlichen Positionen sieht mir nach schlechten Verlierern aus.“

Auch die vom Kreis Offenbach angedrohten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hat das VG als rechtswidrig erachtet. Der Kreis Offenbach hatte insoweit allerdings auf frühzeitigen Hinweis der Kanzlei Eiding Rechtsanwälte auf die Rechtswidrigkeit von solchen Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen und die sofortige Vollziehung aufgehoben. Daher durfte der Betreiber die Anlage bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens noch weiter vom Reit- und Fahrverein nutzen lassen. Wir gehen davon aus, an diesem Status wird solange festgehalten, bis der Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen hat.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat die Berufung nicht zugelassen. Der Kreis Offenbach hat wie gesagt fristgerecht Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, worauf der Kläger aber verzichtet hat. Ihm ging es vielmehr darum, zügig eine die gerichtlichen Feststellungen beachtende Baugenehmigung zu erwirken und so seine Grundstücksnutzung endlich legalisiert zu bekommen. Daraus wird einstweilen nichts, denn es muss als nächstes abgewartet werden, ob der VGH die Berufung zulässt und damit das Berufungsverfahren als volle zweite Tatsacheninstanz führt, oder aber den Berufungszulassungsantrag zurückweist mit der Folge, dass dann die für den Kläger günstige Entscheidung des VG Darmstadt rechtskräftig ist.

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