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Wasserbeiträge: Berufungsverfahren des Klägers erfolgreich

04. September 2015 - Kommunalabgabenrecht

Im Urteil vom 19.08.2015 (Az. 5 A 1078/14) hat der VGH Kassel auf die Berufung des von der Kanzlei Eiding Rechtsanwälte (Hanau) vertretenen Muster-Klägers hin das erstinstanzliche Urteil des VG Gießen vom 19.09.2013 abgeändert, dabei den im konkreten Fall zu bewertenden Bescheid der Stadt Ulrichstein über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen als rechtswidrig eingestuft, dementsprechend aufgehoben. Demgegenüber wurde die zugleich erhobene Berufung der Stadt Ulrichstein zurückgewiesen.

Mit diesem Urteil findet nunmehr ein annähernd 6 Jahre andauernder Rechtsstreit sein Ende. Zur Vorgeschichte:

Bereits im Oktober 2009 erließ die Stadt Ulrichstein Bescheide über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen. Diese betrafen Erneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen im Bereich der Stadt Ulrichstein. Gegen diese legten etliche betroffene Anwohner Widerspruch ein, allein unsere Kanzlei vertrat 181 Widerspruchsführer. Im Rahmen der Widerspruchsverfahren fertigten die zuständigen Sachbearbeiter Prof. Dr. Lutz Eiding und Dr. Martin Faußner Widerspruchsbegründungen in ausgewählten Muster-Widerspruchsverfahren an. Nachdem die Stadt Ulrichstein jedoch über einen Zeitraum von 15 Monaten, gerechnet ab Widerspruchseinlegung im November 2009, keine abschließende Entscheidung getroffen hatte, entschieden sich die in der Bürgerinitiative gegen Wasser- und Abwasser-Bescheide der Stadt Ulrichstein organisierten betroffenen Anwohner auf Anregung der Anwälte im Januar 2011, in einem ausgewählten Muster-Verfahren Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu erheben.

Das Klageverfahren in erster Instanz vor dem VG Gießen endete schließlich durch Urteil vom 19.09.2013, es zog sich damit über einen Zeitraum von über 2,5 Jahren hin. Im Urteil hob das VG den zu beurteilenden Bescheid über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen überwiegend auf. Zur Begründung führte es aus, das veranlagte Grundstück hätte nicht vollumfänglich in die Beitragsberechnung einbezogen werden dürfen, da es sich bei diesem überwiegend um eine sog. – grundsätzlich nicht bebaubare – „Außenbereichsinsel“ handeln würde. Den in der zugrundeliegenden Wasserversorgungssatzung festgelegten kombinierten Geschossflächenmaßstab ließ es demgegenüber unbeanstandet.

Gegen dieses Urteil beantragten sowohl der Muster-Kläger als auch die beklagte Stadt Ulrichstein die Zulassung der Berufung.

Im Beschluss vom 20.06.2014 (Az. 5 A 2192/13.Z) hat der zuständige 5. Senat des VGH Kassel beiden Anträgen stattgegeben, die Berufung gegen das Urteil also insgesamt zugelassen. Dabei äußerte der VGH Kassel Zweifel an dem gewählten Beitragsmaßstab. Die in der Wasserversorgungssatzung festgelegte Vermutungsregelung für die zulässige bauliche Nutzung im unbeplanten Innenbereich würde nämlich den Anforderungen der Abgabengerechtigkeit, wie sie sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, nur dann standhalten, wenn sich die satzungsrechtlichen Vorgaben an den tatsächlichen Verhältnissen im Gemeindegebiet orientieren würden. Dafür trage die Körperschaft als Satzungsgeber die Darlegungslast. Infolge der klägerischen Vorlage einer Aufstellung von insgesamt 55 Grundstücken, die eine deutliche Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse im Gemeindegebiet von den satzungsrechtlichen Vorgaben belegten, sah der VGH die Vermutung als erschüttert an.

Im nunmehr ergangenen Urteil hielt der VGH Kassel an seiner Auffassung in dem besagten Beschluss fest. Eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage für den streitigen Vorausleistungsbescheid ist nicht gegeben. Dabei bekräftigt das Gericht die im Zulassungsbeschluss bereits dargestellte Auffassung, dass die beklagte Stadt Ulrichstein ihrer Darlegungslast für den Beleg der Tatsache, dass die in der Wasserversorgungssatzung festgelegten Geschossflächenzahlen die zulässige bauliche Ausnutzbarkeit im unbeplanten Satzungsgebiet im Wesentlichen wiederspiegeln, nicht nachgekommen wäre. Die von den Klägerbevollmächtigten Eiding Rechtsanwälte vorgelegte, von Mitarbeitern der BI erstellte Aufstellung von Konstellationen, die eine deutliche Unterschreitung der tatsächlichen Geschossflächenzahl von der satzungsrechtlich zugrunde gelegten Geschossflächenzahl darstellen, erwecke „begründete Zweifel“, denen die Stadt Ulrichstein nicht mit Tatsachenvortrag entgegengetreten sei.

Zu dem Urteil erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Faußner:

„Die beklagte Stadt Ulrichstein ist ihrer Darlegungslast in Bezug darauf, dass die in der Wasserversorgungssatzung festgelegten Geschossflächenzahlen die – tatsächliche – zulässige bauliche Ausnutzbarkeit im unbeplanten Satzungsgebiet im Wesentlichen wiederspiegeln, nicht nachgekommen. Eine sorgfältige Prüfung vor Ort fand nicht statt. Dies belegen eindrucksvoll die von der Bürgerinitiative bearbeiteten Beispielsfälle, die eine deutliche Abweichung der tatsächlichen Geschossflächenzahl von der satzungsrechtlich vermuteten Geschossflächenzahl beweisen. Eine deutliche Abweichung zeigt u. a. die Konstellation des Muster-Klägers auf. Die tatsächliche Geschossflächenzahl beträgt hier 0,27, demgegenüber ist infolge der satzungsrechtlichen Vermutungsregelung eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde zu legen, was zu einer inakzeptablen erhöhten Veranlagung führt.“

Hierzu ergänzt Prof. Dr. Eiding:

„Nachdem die Stadt Ulrichstein im Juni 2014 schon das über zwei Instanzen von uns geführte Muster-Klageverfahren in Sachen Abwasserbescheide verloren hat, hat sie nun das gleiche Schicksal in Sachen ihrer Wasserbescheide ereilt. Weil der VGH die Satzungsgrundlage sämtlicher Bescheide als rechtswidrig eingestuft hat, wird der Stadt wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihre rechtswidrigen Vorausleistungsbescheide zurückzunehmen und auf einer neu zu schaffenden rechtmäßigen Satzungsgrundlage neu zu erlassen. Letztlich hat sich jetzt das von der BI seit 2009 gezeigte Engagement ausgezahlt!“

In dem Urteil hat der VGH Kassel die Revision nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung steht der Stadt Ulrichstein die Beschwerde zum BVerwG innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung offen. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommune diesen Weg angesichts der bei dieser Verfahrensart als sehr gering einzustufenden Erfolgsaussichten beschreitet.

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