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Stadt Ulrichstein erlässt Aufhebungsbescheide in Bezug auf erhobene Vorausleistungen von Wasserbeiträgen

15. Dezember 2017 - Kommunalabgabenrecht

Aktuell hat die Stadt Ulrichstein in Bezug auf die gegenüber den Anliegern in den Jahren 2009 (1. Rate), 2010 (2. Rate) und 2011 (3. Rate) erhobenen Vorausleistungen von Wasserbeiträgen Aufhebungsbescheide erlassen. Diese Vorgehensweise war letztlich die Reaktion der Kommune auf die von Seiten der Anlieger zu Beginn des Jahres erhobenen Untätigkeitsklagen.

Mit Schriftsätzen vom 25. – 27.01.2017 hatte die Kanzlei Eiding Rechtsanwälte durch die zuständigen Sachbearbeiter Prof. Dr. Lutz Eiding und Dr. Martin Faußner nämlich in insgesamt 139 Fällen Untätigkeitsklagen zum Verwaltungsgericht (VG) Gießen erhoben. Vorangegangen war eine entsprechende Abstimmung mit der Bürgerinitiative gegen Wasser- und Abwasserbescheide der Stadt Ulrichstein (BI), in der sich die betroffenen Anlieger organisiert haben.

Anlass für dieses Vorgehen ist ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel (VGH) vom 19.08.2015 (Az.: 5 A 1078//14). In diesem hat der VGH auf die Berufung des von der Kanzlei Eiding Rechtsanwälte vertretenen Muster-Klägers hin das erstinstanzliche Urteil des VG Gießen vom 19.09.2013 abgeändert, dabei den im konkreten Fall zu bewertenden Bescheid der Stadt Ulrichstein über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen als rechtswidrig eingestuft und dementsprechend aufgehoben. Demgegenüber wurde die zugleich erhobene Berufung der Stadt Ulrichstein zurückgewiesen. Mit diesem Urteil fand ein annähernd sechs Jahre andauernder Rechtsstreit sein Ende.

In dem Urteil entschied der VGH Kassel, dass eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage für den streitigen Vor-ausleistungsbescheid nicht gegeben war. Dabei bekräftigt das Gericht die im Zulassungsbeschluss bereits dargestellte Auffassung, die beklagte Stadt Ulrichstein sei ihrer Darlegungslast für den Beleg der Tatsache nicht nachgekommen, dass die in der Wasserversorgungssatzung festgelegten Geschossflächenzahlen die zulässige bauliche Ausnutzbarkeit im unbeplanten Satzungsgebiet im Wesentlichen wiederspiegeln. Die von den Klägerbevollmächtigten Eiding Rechtsanwälte vorgelegte, von Mitarbeitern der BI erstellte Aufstellung von Konstellationen, die eine deutliche Unterschreitung der tatsächlichen Geschossflächenzahl von der satzungsrechtlich zugrunde gelegten Geschossflächenzahl darstellen, erwecke „begründete Zweifel“ an der Satzung, denen die Stadt Ulrichstein nicht mit Tatsachenvortrag entgegengetreten sei.

Ausgangspunkt für dieses Muster-Verfahren waren bereits im Oktober 2009 erlassene Bescheide über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen (1. Rate). Diese betrafen Erneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen im Bereich der Stadt Ulrichstein. Gegen diese legten etliche betroffene Anwohner Widerspruch ein, allein unsere Kanzlei vertrat 181 Widerspruchsführer. Im Rahmen der Widerspruchsverfahren fertigten die zuständigen Sachbearbeiter Prof. Dr. Lutz Eiding und Dr. Martin Faußner Widerspruchsbegründungen in ausgewählten Muster-Widerspruchsverfahren an. Nachdem die Stadt Ulrichstein jedoch über einen Zeitraum von 15 Monaten, gerechnet ab Widerspruchseinlegung im November 2009, keine abschließende Entscheidung getroffen hatte, entschieden sich die in der BI organisierten betroffenen Anwohner auf Anregung der Anwälte im Januar 2011, in einem ausgewählten Muster-Verfahren Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu erheben. Demgegenüber wurden alle anderen Widerspruchsverfahren im Hinblick auf das Muster-Verfahren einvernehmlich ausgesetzt. Entsprechend waren auch die Widerspruchsverfahren gegen die im September 2010 und Oktober 2011 ergangenen Bescheide über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen (2. und 3. Rate) ausgesetzt.

Gegen das nach über 2,5 Jahren erstinstanzlich ergangene Urteil des VG Gießen vom 19.09.2013 legten sowohl die beklagte Stadt Ulrichstein als auch der Muster-Kläger das statthafte Rechtsmittel ein, den Antrag auf Zulassung der Berufung. Diesen Anträgen gab der zuständige 5. Senat des VGH Kassel im Beschluss vom 20.06.2014 statt, sodass es nach Durchführung des Berufungsverfahrens zu dem beschriebenen Urteil kam.

Trotz mehrfacher Anschreiben an die zuständigen Sachbearbeiter der Stadt Ulrichstein, darauf gerichtet, unter Hinweis auf das Urteil des VGH Kassel eine Rückerstattung der von den Anliegern bezahlten Vorausleistungen von Wasserbeiträgen nach Wiederaufnahme der Widerspruchsverfahren und Aufhebung der ergangenen Vorausleistungsbescheide zu erreichen, reagierte die Stadt nicht entsprechend. In den Antwortschreiben erfolgte dabei lediglich der Verweis auf eine „noch nicht abgeschlossene rechtliche Prüfung“ wie auch eine von der Stadt Ulrichstein beabsichtigte Neukalkulation der Wasserbeiträge. Dabei wurden sogar in Antwortschreiben zugesagte Rückmeldungen nicht vorgenommen. Mit diesen Ausführungen gaben sich die Anlieger nach Ablauf von annähernd 18 Monaten seit Ergehen des Urteils des VGH Kassel nicht mehr zufrieden, sodass sie der Empfehlung der Anwälte, Prof. Dr. Eiding und Rechtsanwalt Dr. Faußner folgten, Untätigkeitsklagen zu erheben.

Dabei ist anzumerken, dass bis heute – nach 27 Monaten seit Ergehen des VGH-Urteils im August 2015 – die Überarbeitung der Wasserversorgungssatzung noch nicht abgeschlossen ist.

Mit dem Erlass der Aufhebungsbescheide ist nunmehr der Streitgegenstand für die erhobenen Untätigkeitsklagen entfallen. Diese waren gerade darauf gerichtet, die erlassenen Bescheide über die Vorausleistung von Wasserbeiträgen (1. – 3. Rate) durch das VG Gießen aufheben zu lassen. Infolge dieser Vorgehensweise der Kommune ist es auf Seiten der Kläger angezeigt, eine Erledigungserklärung gegenüber dem VG Gießen abzugeben. Entsprechende Schriftsätze wurden an das VG Gießen übermittelt.

Gleichzeitig wurden die Stadtverantwortlichen aufgefordert, die von den Anliegern angewiesenen Vorausleitungen zu erstatten, nachdem mit den Aufhebungsbescheiden kein Rechtsgrund mehr für deren Einbehalt besteht.

Zu diesem Schritt erklärt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Faußner: „Ein konsequentes Handeln der Verantwortlichen der Stadt Ulrichstein erfordert, den Anliegern die bereits in den Jahren 2009, 2010 und 2011 gezahlten Vorausleistungen zu erstatten; dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Kommune seit mittlerweile 27 Monaten die von dem VGH Kassel in dem Urteil vom 19.08.2015 für notwendig erachtete Überarbeitung der Wasserversorgungssatzung nicht abgeschlossen hat, der Abschluss dabei noch nicht einmal absehbar ist.“

Hierzu ergänzt Prof. Dr. Eiding: „Es ist schon ein Trauerspiel, wenn wir vor Jahren in dem extra vereinbarten Muster-Verfahren für alle Widerspruchsführer schon gezwungen waren, eine Untätigkeitsklage gegen die Stadt einzureichen und dies jetzt in den noch anhängigen 136 Widerspruchsverfahren erneut veranlassen mussten. Aber irgendwann ist das sprichwörtliche Fass nun einmal voll und dann müssen Maßnahmen ergriffen werden, welche zeigen, dass man es ernst meint. Die Stadt ist durch ihr Aussitzen statt der Lösung des Problems nun das Risiko eingegangen, Anwaltsvergütungen in fünfstelliger Höhe zahlen zu müssen, falls das VG Gießen die 139 Klagen in gleicher Weise entscheidet, wie das Muster-Klageverfahren vor dem VGH Kassel. Wir sind von daher gespannt, mit welcher Kostenfolge das VG die Verfahren zum Abschluss bringen wird.“

In Anbetracht der in den Verwaltungsstreitverfahren für die Kläger abgegebenen Erledigungserklärungen steht es der Stadt dann offen, sich dieser auf entsprechende Anfrage des VG Gießen anzuschließen und damit die Prozesse zu beenden.

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